Altan Verlag

Bücher

Werner Zillig & Volker Ladenthin:

Alle meine Vorurteile

  • Roman
  • Franz. Broschur
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • ISBN: 978-3-930472-53-6
  • Preis: 19,80 Euro

Kapitel

Seiten

Es war eine sehr spontane Idee im Dezember 2020: Warum nicht, statt sich gegenseitig Bücher zuzuschicken, lieber gemeinsam etwas schreiben? Zeitgemäß einen E-Mail-Dialog. Der Ausgangspunkt, ziemlich vage: Was sind heute die großen Probleme und wie würde ›jeder von uns beiden‹ mit seinen wissenschaftlichen Voraussetzungen und Mitteln diese Probleme analysieren?

Es beginnt in schnellem Wechsel das E-Mail- Gespräch. Ein Bild wird gefunden: Der eine, Volker Ladenthin, sprachkritisch, literaturverliebt und mit einem umfangreichen pädagogischen OEuvre im Rücken, spielt wissenschaftliches Golf. Der andere, Werner Zillig, spielt mit der Analytischen Philosophie als Hintergrund, wissenschaftliches Tennis.

Wie finden die beiden da zusammen? Sie treffen sich, indem sie, manchmal etwas atemlos, alles wechselseitig infrage stellen, analysieren und neu festzurren. Sie spielen Gold, sagen sie dann, wenn sie einen gemeinsamen Punkt gefunden haben. – Schwerpunktthemen: Argumentieren, Erzählen und Lesen, Geschichte. Und dann auch: Ping-pong – Vermischtes.

Auszug

Vorbemerkungen

Dieser umfangreiche Sach- und Namensindex und die de- taillierte Übersicht über alle E-Mail-Überschriften mit Verfasser- und Datumsangabe, abrufbar als PDF-Datei auf der Homepage des Verlags, wurde in dem Buch angekündigt. So kann man Textstellen schneller wiederfinden.

Die Übersichten werden hier ergänzt durch zwei zusätzliche Texte der Verfasser. Die Art dieser Texte war voll- kommen freigestellt. Die Voraussetzungen waren diese: Immer, wenn man ein Buch geschrieben hat, fragt man sich, ob man nicht das Wichtigste vergessen hat. Uns ging es auch diesmal, nach 472 Seiten, nicht anders. Also gaben wir uns ein paar Seiten, um auch diese Frage noch zu beantworten: Was haben wir vergessen? Werner Zillig stellte fest, dass das Thema ›Glück‹ in diesem umfangreichen Buch eigentlich nie ein Thema ist, Volker Ladenthin kam zuerst aufs Wohnen und die soziale Frage.
Anschließend ging die Fortschreibung des Romans so: »Werner fing an, Volker verlor sich in Einzelheiten, und kam anschließend geläutert zurück auf den Pfad der Tugend, also den Mechanismus des Vorurteile-Buches: Ping-Pong. Aufschlag-Annahme.«
Und Return? Nein, dann wäre ein neues Buch entstanden. Das gibt es erst nächstes Jahr. Oder übernächstes Jahr. Oder noch später. Wenn wir Glück haben.
Wir haben uns entschlossen, einige Exemplare dieses Beihefts auch als Papierfassung drucken zu lassen. Es kann auf dem normalen Weg über Buchhandlungen und Online-Anbieter bezogen werden.

W. Z.                                                                  V. L.

Werner Zillig

Glück

1. Wie ›das Glück‹ zum Thema wurde

Das Index-Einrichten bei einem Buch ist eine Tätigkeit, die sich hinzieht und Zeit für Nebenüberlegungen lässt. Mir ist da die Frage mehrfach in den Sinn gekommen: Was wurde mit diesem sehr locker aufgebauten Buch eigentlich gewonnen? Die Antwort war: Es hat verkrustete Gedanken gelockert. Vielleicht bin ich jetzt sogar in der Lage, in einer kurzen, gut lesbaren Form meine gegenwärtige Argumentationstheorie darzustellen? Die wirklich ein paar ganz neue Dinge beinhaltet. Wie viele Anläufe habe ich da gemacht! Die allesamt danebengegangen sind. Und jetzt? Es besteht Hoffnung, immerhin.
Dann habe ich eines Morgens in der Zeitung die Meldung gelesen, dass es neue Forschungsergebnisse in der Frage nach dem Zusammenhang von Lebensalter und Glück gibt.1 Ich verfolge diese Frage schon seit ein paar Jahren: ›In welchem Lebensjahr sind die Menschen – in den unterschiedlichen Regionen der Welt – am glücklichsten?‹ Dann habe ich auf einmal überlegt: Wo haben wir eigentlich in unserem Dialog von Glück gesprochen? In den Überschriften der Mails und im Index kommt das Wort nicht vor! Im Index: Globalisierung und dann Go (Spiel). Da ist sie, die Glück-Lücke!
Habe ich beim Index-Machen etwas übersehen im Text? Das könnte ja vorkommen. Ich setze die Suchfunktion ein und gehe den gesamten Text noch einmal durch. Nein, Glück ist kein Thema, Unglück schon. Und wenn es um Glück geht, dann gebrochen, sehr gebrochen. Auf Seite 136: Demente Bewohner eines Altenheims sind glücklich, wenn sie an einer fingierten Bushaltestelle warten dürfen, an der nie ein Bus ankommt. »Sie fühlen sich besser, als wenn man ihnen sagte: ›Hier kommt kein Bus. Sie müssen nicht mehr zur Arbeit. Ihr Sohn wird Sie nicht besuchen kommen.‹ So sitzen sie glücklich in sich versunken und warten geduldig am kurzen Pfahl des Augenblicks den ganzen Tag auf den Bus, der nicht kommen wird.« Ist das gemeint, wenn wir von Glück reden?2


1
Martin Franke: Lebenszufriedenheit. Wann ist die beste Zeit des Lebens? (FAZ 26.04.202. (Online)). – »Werden die Menschen mit dem Alter doch unglücklicher? – Bisher versprachen viele Wissenschaftler: Im Alter kommt das Beste. Nach anstrengenden Jahren in der Mitte des Lebens wird man immer glücklicher. Doch an dieser U-Kurve äußern Forscher jetzt Zweifel.«
2
Ich habe hier die umfangreichen linguistisch-technischen Erklärungen, die in der ersten Fassung standen, sämtliche gestrichen. Ich hoffe, dass dieser kurze Abhandlung der Anfang ist zu etwas, was ich vor Jahren schon einmal ›Semantische Essays‹ genannt habe: interessant und allgemeinverständlich formulierte Wort- und Begriffsanalysen, die zum Nach- und Weiterdenken anregen.

2. Die Bedeutung von ›Glück‹

Will jemand anzweifeln, dass das Wort Glück eine klare und sogar: leuchtend klare Bedeutung hat? Wenn es doch in der Einleitung der ›Declaration of Independence‹ der USA aus dem Jahr 1776 feierlich heißt:

We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.

Aus sich heraus und ohne weitere Erklärung soll da etwas gültig sein! Menschen sind gleich geschaffen. Sie haben Unveräußerliche Rechte. Ein Recht auf Leben und auf auf Freiheit. Und: nicht auf Glück also solches, sondern ein ›Streben nach Glück‹.1
Damit wissen wir zwar noch nicht, was Glück ist, wohl aber, dass man ausweislich eines großen Texts versuchen kann, Glück zu erreichen. Und es gibt auch einfache Beispiele. In einem Film aus dem Jahr 2006, Titel: ›The Pursuit of Happyness‹, wird ein Mann, der obdachlos war, nach einem unbezahlten Praktikum in einer Brokerfirma angestellt, arbeitet sich hoch und schafft es, Millionär zu werden. Glück als Kontrast zum Unglück. Unglück überwinden und Geld haben, zwei Dinge, an die wahrscheinlich viele Menschen denken, wenn von Glück die Rede ist.
Und jetzt natürlich die obligatorische Frage: Ist das alles? Glück ist die Abwesenheit von Unglück, und was Unglück ausmachen kann, wissen wir doch mehr oder weniger genau, oder? Krankheit, Arbeitslosigkeit, Besitzlosigkeit und die Folgen: kein ›normales Leben‹ führen können. Normales Leben? Ein Einkommen und kleineren oder größeren Besitz haben. In der Folge dann Wohnen, Kleidung, kleine oder auch mal größere Luxusdinge.
Kinobesuch, Urlaub machen, verbunden mit Reisen. Ach, und: soziales Leben. Freunde haben und die hin und wie- der auch mal einladen.
Ist Glück so? So normal? Ist man nicht, wenn man in gesicherten Verhältnissen lebt, wie man so sagt, nicht einfach nur – zufrieden, und ist also glücklich sein nicht doch mehr?


1
Ich war, um ehrlich zu sein, überrascht, dass die Bundeszentrale für politische Bildung einen eigenen Artikel vorhält, der sich mit Glück beschäftigt und das Wort mit der ›Erlebnisgesellschaft‹ ver- bindet. (Thomas Müller-Schneider: Die Erlebnisgesellschaft – der kollektive Weg ins Glück? (Online). – Die Gesamtsuche fördert dann 17 Artikel der BPB zu Tage, die sich mit dem Stichwort Glück beschäftigen. (Online))

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